Ironman Zürich

von Aug 5, 2013Aktuelles0 Kommentare

Road to Kona

AND THE KONA SLOT #10 GOES TO – MARKUS WIEDEMANN!

Ein Bericht von Markus Wiedemann. Bilder: Rolf Hartbrich.

Preisfrage: Welches Wort steckt im Wort “Qualifikation”?

Es geht also zurück an die legendärste Küste der Welt, zumindest im Triathlon-Kosmos: die Kona-Küste, auf der beschaulichen Insel Big Island, im weniger beschaulichen Pazifik, zur Geburtsstätte des Triathlons. Es geht zum IRONMAN Hawaii.

Acht lange Jahre habe ich nun warten müssen, und Sehnsucht nach dem ultimativen Rennen wurde von Jahr zu Jahr größer: bei beinahe jedem Schwimm-, Rad- und Laufkilometer in diesem Jahr war der Wunsch, noch einmal die Quali zu schaffen, im Hinterkopf.

Angekündigt war für das Wochenende in Zürich Neoprenverbot, bei 25°C Wassertemperatur im Zürichsee nur verständlich und für starke Schwimmer wie mich ein großer Vorteil. Angekündigt war auch der heißeste Tag des Jahres, für mich als ausgewiesenden Hitzeläufer (was sich im Lauf des Tages noch relativieren sollte) eigentlich ein idealer Wetterbericht.

Die Zahl des Tages war wohl 15 – das war die Prozentangabe der “DNF” (did not finish) – Athleten, jener, die den Zielstrich nicht gesehen haben, oder vielleicht nur auf einer Trage der “Medical Aid” Helfer, weil sie kollabiert, dehydriert oder anderweitig nicht mehr in der Lage waren, den abschließenden Marathon bei 35°C, größtenteils in der Sonne, zu finishen.

Der Tag für mich startete nicht ganz wie erwartet. Nachdem ich mich an der Startlinie plötzlich in der 2. Reihe sah, vor mir ein breitschultriger Athlet, der wohl ganz gut im Wasser sein musste – so meine Hoffnung – verlief der Auftakt sehr ruppig. Ganz entgegen meiner Erfahrungen aus früheren Rennen war ich schon schnell nach dem Startschuss eingekeilt, musste Schläge und Tritte einstecken und kam nicht so recht vom Fleck. Immerhin schmeckte das Wasser des Sees ganz passabel, und ich war froh, nach etwa 200 Metern Platz um mich zu haben.

In kabbeligem Wasser (ich denke ihr wisst was ich meine?) kam ich recht gut voran und konnte schon nach einigen hundert Metern 5 Minuten vor mir gestartete Profis überholen. Während dem kurzen Landgang auf einem kleinen Inselchen in der Nähe des Ufers, nach der ersten von zwei Runden, konnte ich mich erstmals orientieren: ich lag super im Rennen!

Der Schreck kam dann zeitverzögert: meine Stoppuhr zeigte über 59 Minuten an, nachdem ich aus dem Wasser war. Viel später erst erfuhr ich, dass die Schwimmerei wohl eher über 4 km als 3,8 km lang war. Zwischenstand: Platz 2 in der Altersklasse 40-44, Gesamtrang 27.

Was ich zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht wusste…

So ging es auf die erste von zwei Radrunden, zuerst etwa 30 km flach am See entlang, dann ins Hinterland, mit einigen Wellen, garniert mit zwei längeren Anstiegen.

Immer wieder frustrierend ist die gefühlt große Anzahl derer, die mich dann auf dem Rad überholten: wohl wissend, dass ich kein Überbiker bin und auch nie sein werde, glaub man schnell, so viele werden es doch nicht mehr sein, bis man Letzter ist – was natürlich völliger Quatsch ist, da sich die allermeisten zu dem Zeitpunkt noch im See befinden.

So gilt es, seinen Rhythmus zu finden, regelmäßig auf den Tacho zu schauen (meist über 40 km/h) und diejenigen, die vorbei schießen, möglichst zu ignorieren. “Irgendwann hört das auch auf, das mit dem Überholtwerden”, dachte ich.

Als sich dann nach etwa 40 km das Feld vor mir sortiert hatte, ich lag etwa auf dem 40. Platz, ging es erstmal zum “Beast“: ein langer, serpentinenartiger Anstieg, nicht schwer zu fahren, aber in der Sonne und somit im weiteren Verlauf des Tages ein echter Härtetest, vor allem auf der zweiten Radrunde.

Übertroffen wurde “The Beast” aber noch von einem “schmierigen Anstieg” (O-Ton Patricia Beck, Host) entlang der Bahnlinie, mit viel Sonne, Hitze und Gegenwind und keiner Abwechslung.

Auf der ersten Radrunde, ca. bei km 50, war nicht so richtig vorstellbar, das Ding 90 km später noch einmal zu fahren. Aber ich will nicht jammern, nach jedem Hügel geht es auch wieder bergab, auch in der Schweiz. Und bergab darf man dann gern im Wortsinne verstehen: mit einer rasanten Schussfahrt ans Seeufer wurden die letzen Kilometer jeder Runde eingeläutet.

Ein kleines, aber feines Highlight wartete am Ende noch in Zürich-City: der “Heartbreak-Hill“, ein kurzer, sehr heftiger Anstieg gesäumt von vielen Zuschauern, Wumm-Wumm aus überdimensionierten Lautsprecherboxen und Kuhglocken-Geschepper bis kurz vor den Gehörsturz. Schön war es trotzdem, traditionell-eidgenössisch eben.

Übrigens erblickte ich kurz vor Ende der ersten Radrunde noch Rolf Hartbrich, dem ich die Bilder in diesem Blog zu verdanken habe: er fuhr einfach mal so von Künzelsau nach Zürich, ohne Vorankündigung knapp 700 km, um Fotos zu schießen. Wahnsinn und Danke!!

Auf der zweiten Radrunde dann nichts Neues, bis zum “Heartbreak-Hill“, der in meiner Erinnerung fortan unter “muscle-cramp-hill” weiterleben wird. Dieser kleine, steile Buckel bescherte mir doch tatsächlich einen kapitalen Krampf im linken Adduktor – ein Muskel, der mir im weiteren Verlauf des Rennens noch einiges Kopfzerbrechen bereiten sollte. Unheil bahnte sich an, ich musste anhalten, mitten im “Berg” und reichlich trinken. Der Krampf war (vorläufig) weg, das Rad kurze Zeit später in der Wechselzone deponiert. Platz 2 Altersklasse, Platz 46 gesamt, 5:10:57 Std. Radsplit (34,77 km/h).

Auf dem Rad merkt man ja nicht wirklich, dass es langsam richtig heiß wurde – es ist ein schleichender Prozess, genauso wie der zunehmende körperliche Verfall im Verlauf eines IRONMAN Rennens. Doch kaum stand ich ich meinen Laufschuhen, ausgestattet mit Pulsmesser, meiner Garmin-Uhr (GPS-Tracking-fähig) und Kompressionssocken (man weiß ja nie…), fiel der Hitze-Hammer.

Aus meinen Läufen in den letzten Wochen konnte ich gut einschätzen, so meinte ich, welches Tempo ich auf dem abschließenden Marathon angehen kann. 4:30 – 4:40 Min/km war schon realistisch, und mein Wunsch war entsprechend ein Marathon um 3:20 Std. Eingebrochen bin ich in allen 16 IRONMAN-Rennen zuvor (inklusive Hawaii) noch nie, deshalb erschien mir das Szenario, das sich dann abspielen sollte, als undenkbar.

“Expect the unexpected!” (Mark Allen)

Ich lief heiß. Ich merkte, wie sich die Hitze unter meiner Mütze allmählich immer mehr anstaute und ich wollte kühlen. Doch alles, was die sagenhaft motivierten Volunteers anfangs zu bieten hatten, war lauwarmes Getränk (Iso, Wasser, Cola) und warmes Wasser aus der Leitung. “Etwas wenig Eis”, dachte ich, schüttete Wasser in mich hinein und über mich drauf und stellte fest, dass es gefühlt sofort verdampfte.

Schon auf der ersten von 4 (!) Runden musste ich an einer Verpflegungsstation eine erste Gehpause einlegen, um mich zu kühlen. Endlich, bei km 5, eine Station, die “Icepacks” verteilten: kleine Beutelchen mit Eiswürfeln drin.

Ich schnappte zwei davon, riss einen auf und verteilte den Inhalt in Hose, unter die Mütze und ins Oberteil, der andere wanderte in den Nacken. So langsam kühlte ich wieder herunter, der Schritt wurde wieder länger und die Minuten-Schnitte gingen gewohnten Zeiten entgegen. Bis sich der angeschlagene Adduktor mit einem kapitalen Krampf zurückmeldete, garniert von hitzebedingten Schwindelanfällen.

 

Ihr müsst euch vorstellen, dass dieses Drama sich über die kommenden 20-25 km so weiter hinzog: Eiswürfel, Krämpfe, Wasser über den Kopf usw. Ich musste meine schärfste Waffe im Kampf gegen die endgültige Kapitulation schon früh ziehen: Cola!

Bereits nach 15 km war die braune Brühe, wohlgemerkt lauwarm serviert (!), ein Retter in der größten Not. Die größte Erlösung war jedoch göttlicher Art: irgendjemand muss die Sonne versteckt haben, zu einem Zeitpunkt, als bereits Dutzende zuckende oder liegende Athleten entlang der Laufstrecke von “Medical-Aid“-Teams versorgt wurden, eilig herbeigerufen von Zuschauern oder Teilnehmern.

Jedenfalls kamen plötzlich Wolken auf, und die größte Hitze war weg. Es ging dem Ende entgegen, auf die 4. Runde. Nach Stunden der Qual, vielen Gehpausen, einem Killer-Marathon in 3:53:34 Stunden (mit Abstand der langsamste meines Lebens) und literweise Cola im Bauch sah ich dann doch noch die Ziellinie. Aufrecht, mittlerweile schwindelfrei und froh, nicht ausgestiegen zu sein. Diese Option erschien mir übrigens zu mancher Zeit des Marathons eine denkbare.

Bei 10:11:08 Stunden blieb die Uhr dann schließlich stehen, was Platz 16 in der AK 40-44 bedeutete, Platz 109 gesamt. Ich rechnete mir im Kampf um die Hawaii-Quali überhaupt keine Chancen mehr aus, so schlecht erschien mir meine Endzeit.

Doch was die Zeit am Ende wert war, zeigte sich dann in der Ergebnisliste.

Hatte ich schon erwähnt, dass am Ende jeder 6. das Ziel nicht gesehen hatte?

Es hat gereicht. Gerade so. Im “roll-down”-Verfahren, bei dem so lange nachgerückt wird, bis der letzte Slot für die IRONMAN Weltmeisterschaften am 12. Oktober auf Hawaii vergeben ist, hatte ich das Glück, das mir 1998 verwehrt geblieben war: damals hatte ich die Quali um 2 Minuten verfehlt. Heute hätte ich genau um diese Zeit nicht langsamer sein dürfen.

HAWAII  – ICH KOMME! Aloha und hang loose…

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Vorbericht:  IRONMAN Zürich 2013 – das Rennen des Jahres!

Nun wird es also ernst: nach vielen Kilometern zu Wasser und an Land fühle ich mich bereit für das Rennen des Jahres, meinen dritten Start beim IRONMAN Zürich (www.ironman.ch) nach 1998 und 2005.

Ein Blick zurück…

Der Blick in die Vergangenheit lässt mich einerseits zuversichtlich, andererseits aber auch zweifelnd aufs kommende Wochenende blicken: am Ort meiner bisher bittersten “Niederlage”, der um 2 Minuten verpassten Hawaii-Quali im Jahr 1998, aber auch am Ort der letztmaligen Qualifikation 2005, soll es übel heiß werden: die Wetterprognose sagt 35°C an Land und 24° Wassertemperatur voraus. So wenig planbar ein Rennen über die Langdistanz ist, so wenig ist auch der Rennverlauf bei derart extremen Bedingungen planbar: wie verkraftet der Körper die Hitzeschlacht, gibt es genügend Eis auf der Laufstrecke, bekommt man Krämpfe, wie stark (oder schwach) sind die Gegner? Fragen über Fragen, die man sich vielleicht einfach nicht stellen sollte.

In dem Zusammenhang mit solchen Gedanken gefällt mir immer wieder der Slogan einer großen amerikanischen Firma, der so geht: “Just do it!” oder wahlweise: “Go out and play!” Aber auch der Spruch eines großen amerikanischen Triathleten hat einiges an Charme zu bieten: “Expect the unexpected!”

Irgendwie passt alles zusammen. Ein so langer Tag, im Idealfall etwas mehr als 9 Stunden, beim worst-case-scenario über 10 Stunden, ist schlicht nicht planbar. Man kann zwar seine Einzelzeiten hochrechnen und kommt dann auf eine Zeit irgendwo zwischen Idealfall und worst-case heraus. Doch was helfen alle Zahlenspiele, wenn irgendwann der Körper nicht mehr will?

Ich habe jedenfalls super trainiert, fühle mich fit und bereit für das große Rennen. Alle möglichen und unmöglichen Trainingseinheiten waren in der Vorbereitung dabei, wie 30 km-Hitzeläufe, 180 km-Odenwald-Radtouren und viele, aber nicht zu viele, Wettkämpfe über sehr kurze bis zu Mitteldistanzen, mit guten Resultaten.

Und was ist nun mit Hawaii?

Das ist natürlich ein Ziel, die Motivation über das gesamte Jahr, sich das Training noch einmal anzutun, keine Frage. Ich würde lügen wenn ich sagen würde, ich will da nicht hin. Doch Schweden 2012 hat mich gelehrt, dass die Quali für Hawaii so wenig planbar ist wie eine Reise zum Mars. Mit 9:16 Std. beim IRONMAN Kalmar war ich im letzten Jahr sage und schreibe 20 Minuten zu langsam…Wer weiß, wie die Konkurrenz in Zürich in Form ist???

Fakt ist, es gibt 11 Slots (Startplätze) in meiner AK 40-44, von genau 500 Startern. Hört sich nicht viel an, oder?

Nun aber Daumen drücken für den großen Tag!

Ein Bericht von Markus Wiedemann